Stafford Beer hätte zufrieden und stolz auf seine Arbeit sein können. Aber sein Sehen, dass er nur von einigen wenigen verstanden wurde, hat ihn zusehends trauriger und einsamer gemacht. Wer ihm näher stand, der bekam seine Traurigkeit und auch seine Einsamkeit zu spüren, von mal zu mal auch seinen Missmut. Stafford Beer erkannte schnell, wie sorgfältig man auf ein Gespräch mit ihm vorbereitet war und wie genau man seine Gedanken verfolgte. Wo er meinte, dass man bloß seine Bücher lesen oder wenigstens nur in eines davon hineinsehen hätte müssen, um Antwort auf die Fragen zu erhalten, die man ihm stellte, da wusste er finstere Blicke zu vergeben. Es bedurfte ausreichend großem Abstands, um den Unterschied zwischen einer Reaktion aus verletzter Eitelkeit oder Enttäuschung zu sehen. Die Antwort ergab sich aber schnell, wenn man auch sein Strahlen aus warmherzigsten Augen erleben konnte, das entstand, wenn er sich erkannt und verstanden fühlte. Stafford Beer wusste, mit dem Wissen, das er zur Verfügung gestellt hat, ist es wie mit Dynamit: Es kann Gutes bewirken und Katastrophen verhindern, wenn man es richtig und menschlich anständig anwendet. Es kann Schlechtes bewirken und Katastrophen hervorrufen, wenn man es falsch und/oder aus destruktiven Absichten heraus tut. Das Werk von Stafford Beer ist wie Dynamit, es ist in jedem Fall hochwirksam. Das Finstere in seinen Augen war Sorge und Strenge, die daher rührte. Es wurde je finsterer, je oberflächlicher jemand beobachtete und dachte. Und wenn es etwas gab, das ihn anwiderte, dann war es Halbbildung und "gescheites" Gerede, dem die entsprechend kluge Handlung dazu fehlte. Das Besondere an Stafford Beer waren zwei Fähigkeiten. Die eine war, dass er in der Lage gewesen ist, zu wissenschaftlichen Fragen und praktischen Situationen Realitätsmodelle zu schaffen, die die jeweils relevanten Wirklichkeiten vollständig abbilden. Die andere war, dass er sein umfassendes und vielfältiges Bildungswissen konsequent in effektives Handlungswissen umsetzen konnte. Stafford Beer war ein leidenschaftlicher Manager, der sich von Herausforderungen und Umgebungen vollkommen absorbieren ließ. Es gibt keinen Hinweis von ihm, dass er je ein Projekt als zu schwierig empfunden hätte. Viele Hinweise finden sich hingegen dazu, welch ein Kampf es für ihn manchmal war, seine Erkenntnisse klar, umfassend und anregend genug zu verfassen, um bei seinem Publikum die nötige Erkenntnis und Veränderung zu bewirken. Als Kybernetiker war ihm klar, dass Verstehen seinen entscheidenden Anteil beim Empfänger hat. Den Anspruch an seine eigene Eloquenz legte er aber mindestens so hoch an, wie die Bedeutung des hermeneutischen Prinzips von Heinz von Foerster. Stafford Beer war eine stattliche Erscheinung. Die Energie, mit der er seine Gedanken vorantrieb, war aber unendlich größer, als sein Aussehen. Manchmal hatte man den Eindruck, er wolle die Erde zum Schwingen bringen, damit sich endlich etwas bewegt, wenn er erklärte, von solcher Intensität und Überzeugungskraft konnten seine Worte sein. Er hatte keine Angst vor Veränderung, er hatte Angst davor, dass in der Gesellschaft die Chancen für sinnvolle und gesunde Evolution ungenutzt vorüberziehen oder zerstört werden. Vor allem deshalb war es seine große Sorge, sich nicht ausreichend verständlich machen zu können. Sein Leben war das eines General-Managers im weitesten Sinne des Wortes. Er hat die Zeichen seiner Zeit erkannt, verstand es, den Computer von seiner Geburtsstunde an ebenso wie den menschlichen Geist, das gesamte menschliche Potential zu nutzen. Er war vor allem auch einer, der sein Leben lang um Ausdruck darüber gerungen hat, als Lehrer, als Autor, als Dichter, als Maler. Viele, aber zu wenige hatten die Möglichkeit, ihm zu begegnen. Und wer diese Möglichkeit erhalten hat, wird nun nach seinem Tod einen Menschen vermissen, der wie kaum ein anderer für Klarheit sorgen konnte. Diese Klarheit wird für jeden so lange mit der Person Stafford Beer verbunden bleiben, bis es ihm gelungen ist, sich selbst so weit durch Wissen und Erfahrung zu bilden, bis seine eigenen Realitätsmodelle jenen von Stafford Beer entsprechen. Die gesamte Realität, die das Leben von Prof. Dr. Stafford Beer ausmachte, wird aber immer die seine und eine außergewöhnliche bleiben. Wir verabschieden uns dankbar von Dir, Stafford. Deine Leichtigkeit im Denken und Verstehen hat uns oft ebenso sprachlos gemacht wie Deine Schwermut im Erkennen und Voraussehen. Es würde Dich ärgern, wenn wir Dir sagten, dass wir Dich sehr vermissen werden. Du würdest uns nur finster ansehen, auf Deine Bücher zeigen und mit strenger Stimme sagen: "Read that bloody books." Du hast dafür gesorgt, dass Dein Geist auch nach Deinem Tod erreichbar ist. Trotzdem wirst Du uns fehlen. Es war nicht nur lehrreich und prägend, sondern auch faszinierend und schön, Dir, dem Menschen, zu begegnen. 2002-08-24
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